Lieber Lesezirkel,
nun kommt also endlich mal wieder ein neuer Eintrag in unser Reisetagebuch. In den letzten Wochen ist viel passiert und viele von Euch haben davon noch gar keine Ahnung. Das soll sich nun ändern, schließlich habt Ihr als Freunde oder ferne Verwandte und Bekannte ein Recht darauf zu wissen, wo wir uns rumtreiben und vor allem wie. Der letzte Eintrag war noch geprägt von unserer Hoffnung auf baldige Genesung unseres Short Bus’ und ist somit gnadenlos veraltet. In Cartagena/Kolumbien bastelte der alte Mechaniker Hector mit seinen Kollegen unter Bewachung dreier enorm großer Kampfhunde an unserem Auto rum, um uns die Weiterreise nach Argentinien zu ermöglichen. Seinen Pessimismus diesbezüglich hat er uns subtil spüren lassen („Nie im Leben kommt Ihr mit der alten Karre bis nach Chile, Ihr seid beide verrückt! Verrückt seid Ihr...“), er glaubte allerdings, die Probleme beheben zu können.
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Ist sie nicht süß, die kleine Nina |
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Beratung unter Fachmännern (die Frage ist, bei wem das ironisch gemeint sein müsste) |
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Ernüchterung macht sich breit... |
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...bei allen Beteiligten |
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Der Short Bus hat einen Zugang gelegt bekommen |
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Der Einsatz stimmte zumindest |
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Hector mit uns in seiner Schrauberlaube |
Nach 4 langen Wochen in der „Perle der Karibik“, wie die Stadt genannt wird, ging es dann auch tatsächlich weiter gen Süden. Nach einer langen Probefahrt durch die Hügel in der Umgebung waren wir ebenso überzeugt wie der stolze Hector, dass der Wagen nun wieder fit sei. Voller Vorfreude auf die Weiterreise haben wir den Gebäudereinigungskräften (politically correct) unseres Dauerhostels eine Torte gekauft und eine von ihnen eingepackt, da ihr Dorf auf unserem Weg Richtung Medellin liegt, und die Stadt verlassen. Die letzten Tage haben wir noch mit einer waschechten Bayerin namens Franziska-Anna, genannt Franziskaner, aus unserem Hostel auf unsere neue Freundschaft getrunken, viel gearbeitet und leider bereits Beatles und Teresas Hochzeit absagen müssen, die Reparatur dauerte zu lange.
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Ein paar Bilderchen aus Cartagena de las Indias/Colombia |
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Nein, ich habe Maiken nicht aus Geldnot feilgeboten. Sie präsentiert stolz ihr neues Kleid für die Hochzeitsfeier, die dann leider ohne uns und Kleid stattfand. Sie durfte den Fummel trotzdem behalten... |


Der Weg nach Medellin war von Licht und Schatten geprägt. Nach ca. 6 Stunden Fahrt hakte spät abends die frisch reparierte Kupplung und wir mussten an der Seite der Panamericana vor einem Grundstückszaun anhalten und dort völlig entnervt übernachten. Am nächsten Tag half uns dort in der Einsamkeit jedoch jemand, der sich nach eigenen Angaben „semi“ mit Autos auskennt. Der rosa Schraubenzieher von Dana (danke!) reichte ihm für die Reparatur, wir konnten weiterfahren. Zwischendurch konnten wir ein weiteres der vielen Beispiele kolumbianischer Gastfreundschaft erfahren. Der Besitzer des Grundstücks fuhr ohne Worte von dannen, um eine halbe Stunde später aus dem nächsten Ort zurückzukommen, aus dem er uns ausreichend Wasser, Kekse, Thunfisch und ähnlich lebenswichtige Utensilien mitgebracht hatte. Kurz vor Medellin steigt der Weg von ca. 300 auf 2500 Höhenmeter bei nur 60 Km Länge an. Nachdem unser Bus auch das problemlos hinter sich gebracht hatte, waren wir uns unserer Sache sicher. Der Short Bus war wieder gesund und würde uns selbstverständlich bis nach Chile bringen und uns mit etwas Glück sogar auf die Galapagos Inseln fahren. Am nächsten Morgen trafen wir wieder ein paar Leute, die uns aufgrund unseres fahrbaren Untersatzes aus Kalifornien ansprachen. Einer arbeitete in der Firma, neben der wir genächtigt hatten und sprach gutes Englisch, in welchem er uns versicherte, wir sollten vorbeikommen, falls er uns mit irgend etwas behilflich sein könne. So etwas rächt sich schnell, aber dazu später mehr. Die nächste Schicksalsbegegnung war ein Taxifahrer, der 20 lange Jahre als Koch in New York gearbeitet hatte und uns daher ebenfalls sofort ansprach und uns irgendwie helfen wollte (wir müssen eine miserable Außendarstellung haben bei der Masse an Leuten, die uns ohne ersichtlichen Grund helfen wollen). Wir brauchten tatsächlich Motoröl, also fuhr er eine Weile vor uns her, um uns einen Laden zu zeigen, wo es das günstiger als bei der Tankstelle gibt. Dort wollte angeblich gleich jemand unseren Wagen kaufen, weil er ihn so schön fand (glatt gelogen, Kolumbianer können das Auto eigentlich gar nicht kaufen, da sie für ausländische Fahrzeuge mit mehr als 10 Jahren auf dem Buckel keine Papiere bekommen und sie damit nicht fahren können). Danach sind wir weitergefahren, um unsere Reise Richtung Feuerland fortzusetzen. Leider schaffte der Short Bus von den anvisierten 7000 Km nur noch 18, die allerdings bergauf. Außerhalb Medellins geht es direkt einen Berg hinauf. Mit Ächzen und Würgen kamen wir oben an, mit qualmendem Motor fuhren wir rechts ran. Nach einigen Minuten Luftablassens (nicht ich, der Ausgleichsbehälter mit dem Kühlwasser hatte Überdruck) wollte ich den Deckel des Behälters ein wenig weiter aufdrehen, woraufhin mir eine Fontäne kochendes „Kühlwasser“ ins Gesicht spritzte. So ramponiert rollten wir mit dem Bus den Berg wieder herunter und fuhren zu dem freundlichen Mann aus der Firma, der uns am Morgen seine Hilfe angeboten hatte. Noch oben hatten wir uns entschieden, uns von unserem Problembus (fragt bei Ede Stoiber nach, wenn Ihr den Unterschied zwischen einem normalen Bus und einem Problembus nicht kennt) zu trennen. Wir waren uns schlagartig sicher, dass Mechaniker Hector übersehen haben musste, dass ein Riss im Zylinderkopf sein müsse. Mein Bruder Antonio hatte uns in zahlreichen Telefonkonferenzen die Best und Worst Cases unserer Autoprobleme erläutert, dafür auch an dieser Stelle nochmal vielen Dank. Der „Mann in der Firma“ heißt mit richtigem Namen Rodrigo und teilte seine Gedanken bezüglich eines Autoverkaufs mit uns, überließ uns seinen Rechner am Arbeitsplatz für die Nutzung des Internets und beriet sich mit Kollegen, auch ihm tausend Dank für die Rundumbetreuung, auch wenn er diese Zeilen aufgrund fehlender Deutschkenntnisse nicht lesen wird. Als nächstes fuhren wir zu dem Mechaniker neben dem Ölverkäufer zurück, da dieser ja einige Stunden zuvor behauptet hatte, unseren Wagen kaufen zu wollen. Davon war er nicht mehr ganz so überzeugt, nachdem wir zurückkamen und ihm die Kiste tatsächlich überlassen wollten. Er erklärte uns die besagte Problematik, dass er den Wagen nicht angemeldet bekäme. Das Gespräch dauerte ca. 10 Minuten, in denen uns klar wurde, dass wir den Wagen wohl höchstens an Leute verscherbeln könnten, die Hackfleisch aus dem Guten machen, um Einzelteile für andere Fahrzeuge zu nutzen. Während der 10 Minuten jedoch saß ein unbekannter Gast in der Werkstatt schweigend neben uns, der uns nicht weiter aufgefallen war, bis er urplötzlich einen Preis nannte, zu dem er uns den Wagen abkaufen würde. Wir waren uns innerhalb einer Minute einig. Er besitzt eine Finca in der Nähe der Stadt und will den Bus nur deshalb haben, weil er gerne solche alten Autos dort stehen hat, an denen er ein bisschen bastelt und dort herumkurvt, Polizei gäbe es da oben sowieso nicht. Wir sind daraufhin zurück zu Rodrigo gefahren und haben angefangen, unseren Bus zu entrümpeln. Das tat schon teilweise etwas weh. Im Short Bus ist einfach viel mehr Platz als auf unseren Rücken, das mussten wir nach kurzer Zeit einsehen. Also ging das Ausmisten los. Erstmal eine Reisetasche mit Klamotten überladen, die es entweder nicht zu Liebhaberstücken geschafft haben oder schlichtweg zu schwer waren. Schwierig dabei, dass genau jetzt die kalte Zeit langsam losgeht. Erst in den Bergen, später dann im tiefen Süden Patagoniens. Die Tasche haben wir dann an die Straße gestellt in der Hoffnung, dass ein Bettler sie findet und damit seinen neuen, persönlichen Glückstag ausruft. Einige von Euch erinnern sich vielleicht, dass wir ein 10 Kg schweres Paket voller Bücher zu Spence und Diane geschickt hatten. Das ging dann auch wieder in den Müll, drei Bücher haben wir uns jeder noch mitgenommen. Ein 10 Kg schweres Paket nach Deutschland kostet von Kolumbien aus übrigens mehr als 300 Euro, weshalb wir nun die Dinge, die wir nicht wegschmeißen können, aber hier nicht mehr zwingend brauchen, nach Argentinien zu einem Tenniskollegen (danke Esteban!) aus Heidelberg bzw. dessen Eltern geschickt haben.
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Fleisch auf dem Weg nach Medellin |
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...schwere Entscheidungen... |
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Die grüne Tasche war unsere Altkleidersammlung |
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Das letzte Abschiedsfoto mit dem Short Bus. |
Seitdem sind wir nun also Backpacker, nachdem wir vorher schon Gefahr liefen, uns auf die Fremdbeschreibung „Overlander“ etwas einzubilden und auf das Backpackerpack, das mit dem Massenstrom von Hostel zu Hostel pilgert, immer auf der Suche nach dem billigsten Bier und jedem Stück Käse, dass ein anderer unachtsamer Kollege nicht ordnungsgemäß hinter Schloss und Riegel mit seinem persönlichen Zahlenschloss verbarrikadiert hat, mit verachtender Miene herabzublicken (der Satz ist mal wieder so lang geworden, dass keiner mehr einen Bezug zwischen Anfang und Ende herstellen kann, sorry für diese Krankheit von mir). Als Backpacker sind wir natürlich Neulinge, die von den Konkurrenten wie Frischfleisch im Gefängnis betrachtet werden. In einem der eher versifften Hostels (es gibt auch viele sehr schöne, ich sitze z.B. gerade in einem traumhaften weitläufigen Komplex mitten in der Natur in den Bergen, überall Hängematten, sauber, mit richtig gutem Essen) in Quito waren wir naiv genug, ein nicht getrunkenes Bier (schlimm genug eigentlich!) über Nacht im Kühlschrank stehen zu lassen. Wir waren wohl davon ausgegangen, dass nach uns nicht mehr viele in den Wohnbereich kommen würden. Aber jeder normale Mensch würde das Bier auch morgens klauen, um es zur Not dann halt zum Frühstück zu trinken oder eben den ganzen Tag mit sich rumzuschleppen, um abends den Dollar für ein kaltes Bier zu sparen und mit dem inzwischen heißen Vorlieb zu nehmen. Nein, natürlich sind nicht alle so, im Gegenteil haben wir schon viele nette Leute getroffen. Gerade für die Reise durch die USA und auch in Mexico war der Bus jedoch unersetzlich und trotz der kurzen Halbwertzeit ein Gewinn für die Reise. Ohne den Bus hätten wir kaum in dem RV Park bei Roger und Bev bleiben können, Maiken hätte nicht nähen gelernt, ich weiterhin nichts über Automotoren. Wir wären nicht in Chiricahua gewesen und, noch schlimmer, wahrscheinlich weder in Big Bend noch im Joshua Tree National Park, die öffentliche Infrastruktur ist in den USA einfach grausam schlecht.
Nun geht der Blick aber auf unser neues Reiseleben. Wir haben uns schon gut damit angefreundet. Die Gegenden werden höher und trotz der teils rasanten Fahrten hoch motivierter Busfahrer, die ihre Kunden gerne so schnell wie möglich zur nächsten Reisedestination bringen möchten, scheint es besser zu sein, als mit einem halb kaputten Bus und einem instabilen Getriebe auf über 4000 Metern unser Glück zu versuchen. Außerdem sind die langen Fahrten deutlich weniger anstrengend , wenn man sich im Bus zurücklehnen kann. Die langen Fahrtage vorher waren teilweise heftig und nahmen viel Zeit in Anspruch, da wir erstens langsamer waren und zweitens tagsüber gefahren sind und nicht nachts wie nun häufig. Die daraus resultierende neue Energie mussten wir irgendwie los werden, so dass wir bereits zwei hohe Vulkane erklommen haben, seit wir in Ecuador sind. Der erste war in Quito, einer ohnehin sehr schön gelegenen Stadt in einem von Bergen und verschiedenen Vulkanen umrandeten Tal. Um uns auf die Tour auf den Vulkan einzustellen, sind wir erstmal in eine Kirche gegangen. Nicht etwa zum Beten, dass der Vulkan ruhig bleibt, sondern zum Klettern. Der Gang auf die Türme teils außen an der Kirchenmauer über Leitern und Gittertreppen auf ca. 70 Metern Höhe war eine schöne Abwechslung gegenüber anderen Kirchen, deren Prunk im Innern teilweise zwar sehr schön anzusehen ist, angesichts der in mehreren Jahrhunderten manifestierten Armut in einigen Gegenden aber perverse Züge hat. Da nutze ich doch lieber den Kletterparcours und zahle auch gerne meine 2 Dollar dafür. Der Ausflug zum Vulkan selbst war bis auf das Ende relativ entspannt. Ein Weg ist überall deutlich zu erkennen, die Landschaft war genauso schön wie die Blicke ins Tal mit dessen dort massiv eingewuchteter Hauptstadt. Und der letzte Aufstieg, eine finale Klettertour über blanke Felsen, gab einem oben das Gefühl, sich das Foto mit dem Gipfelschild auch wirklich verdient zu haben. Einen angenehmen Nebeneffekt bietet der leichte Höhenrausch, der vielleicht ein wenig mit einem leichten Alkoholrausch vergleichbar ist. Quito selbst liegt bereits auf knapp 3000 Höhenmetern, was für uns, die wir uns noch wenige Tage vorher auf Meeresniveau befanden, eine ordentliche Höhe war. Ohne viel Zeit zur Akklimatisation ging es dann mit einer Seilbahn auf knapp 4000 Meter. Der Gipfel befindet sich dann schließlich auf etwa 4700 und ein bisschen. Irgendwann merkt man dann kleine Veränderungen bei sich selbst. Alles wird einem egal, die Beine fangen an ein wenig zu torkel, nach hinten umdrehen und nach vorne laufen wird zur unmachbaren Aufgabe, vor allem weil es auf der rechten Seite nach unten geht, so dass es sich tatsächlich empfiehlt, umdrehen und laufen in zwei Arbeitsschritte aufzuteilen. Beim Blick nach oben bewegt sich der Berggipfel auf einen zu, was allerdings nicht schlimm ist, weil mir zu dem Zeitpunkt ja bereits, wir erinnern uns, Symptom Nummer 1, eh alles egal war. So stolperten wir eine Weile vorwärts, bis Wirkung der Höhendroge nachließ. Der physiologische Anpassungsprozess geht tatsächlich sehr schnell, so dass der finale Aufstieg wieder im Vollbesitz der mentalen Kapazitäten funktionierte. Nach der Tour genehmigten wir uns dann tatsächlich noch ein großes Pils und gingen ziemlich früh ziemlich erledigt ins Bett. Auch dort hatten wir mal wieder das Glück, dass wir ständig, wenn wir uns in einem Dorm einbuchen, keine Zimmerkollegen bekommen. Einmal ging das soweit, dass das Nachbardorm mit 9 Leuten aus allen Nähten platzte, während wir unsere vier Doppelbetten für uns behielten. In Cartagena hatten wir vier Wochen lang ein Doppelzimmer zum Preis von zwei Dormbetten, weil uns nie jemand ins Zimmer gelegt wurde.
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Karibik war wärmer als Quito |
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Schön ist, dass ich in Ecuador groß bin |
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Hasta la victoria siempre |
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IKEA-Teppich |
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Nase juckt |
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Rest Area |
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Das Gleiche in Makro |
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jaja |
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Genau, da oben waren wir |
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Hans A. würde schier ausrasten, wenn er wüsste, dass die Hansa Knaller sich in der elitären Liste Great Beers of the World in Quito/Ecuador wiederfinden. Hauptsache Hansa... |
Noch vor dem Ausflug auf den Vulkann waren wir übrigens am Äquator. Bzw. eigentlich muss man sagen, wir an drei Äquatoren (Äquators? Man liest selten eine Mehrzahl dieses Begriffs). Der erste ist der Äquator mit einem großen Monument zu Ehren dieser unsichtbaren Grenze, die nach mancher Lesart neben der geogafischen Bedeutung auch eine soziale hat, indem sie sehr grob vereinfacht die Welt in arm und reich aufteilt, in geburtenreich und geburtenarm und in Zukunft und Vergangenheit. An dem Monument jedenfalls stehen die dortigen Koordinaten, allerdings entsprechen sie nicht der Realität. Witzig ist, dass es in jedem Reiseführer nachzulesen ist, dass hier ganz sicher nie der Äquator war (er unterliegt leichten Änderungen) und trotzdem viele Menschen auf dem Strich hin- und herspringen, um sich dabei abwechselnd im Süden und im Norden der Welt zu wähnen. Wir gingen also weiter, da wir wussten, dass sich ein Stück aufwärts der Straße ein weiteres kleines Outdoor-Museum befindet, in dem nun aber wirklich der Äquator sein soll. Es werden viele lustige Experimente gemacht, z.B. bleibt ein Ei dort stehen und das Wasser läuft auf der einen Seite gegen, auf der anderen mit dem Uhrzeigersinn. Der einzige, der uns die gute Stimmung vermieste, war unser GPS-Gerät, das partout einige hundert Meter weiter am Straßenrand den Äquator anzeigte. Was soll man sagen, es hatte Recht. Beide Monumente und Museen lügen. Man muss Helge Schneider wieder einmal Recht geben, wenn er behauptet: „Es ist eine total verkehrte, eine falsche Welt, alle sind unecht, und das prangere ich an.“ Da halfen auch die verzweifelten Versuche des Museumsmitarbeiters nicht, der pflichtgemäß vor den Augen anderer Besucher darauf hinwies, unser GPS käme eben von der Nordhalbkugel, suche sich daher nur Nordsatelliten und die hätten keine Ahnung. Wir haben dann unsere eigenen Tourifotos am wirklichen Äquator gemacht. Besser gefühlt als die anderen haben wir uns dabei wahrscheinlich auch nicht, aber immerhin waren wir mit deutscher Gründlichkeit vorgegangen. Wir vermuten übrigens, dass der Äqutor sich in der Gegend so unrühmlich entlang einer schmutzigen Straße entlangschlängelt, dass darin der Grund für seine knappe Verlegung zu suchen ist.
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Immerhin haben wir gelernt, wie man Schrumpfköpfe hergestellt hat, der Brauch ist während der letzten Jahre außer Mode geraten. Also, Kopf ab... |
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...in Konservierungslösung tauchen... |
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Körperöffnungen ausstopfen, damit sie ihre schönen Rundungen nicht verlieren... |
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...Stein in den Kopf... |
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...und fertig ist der Schrumpfkopf. |
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So sieht er dann aus |
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Das Monument des (falschen!) Äquators |
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Nee nee, ich steh hier nämlich gerade nicht auf beiden Seiten gleichzeitig |
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Dafür gabs dort leckeres Essen |
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Weniger spektakulär, aber echt: Der ÄQUATOR |
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Unsere Reise auf die Südhalbkugel... |
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...geht los! |
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Nur Nullen, wie schön! |
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An dieser Stelle muss ich mit einem weit verbreiteten Missverständnis aufräumen. Unsere ach so aufgeklärte Gesellschaft ist ja tatsächlich immer noch der Meinung, dass man auf der Südhalbkugel einfach genauso steht wie auf der Nordhalbkugel. Das kann natürlich nicht gehen, irgendwo ist ja unten und da sagt einem ja bereits der logische Menschenverstand, dass man herunterfallen muss. Der menschliche Körper macht dann einen Anpassungsprozess durch, so dass er im Endeffekt, wie die Menschen dort im Süden, wieder stehen kann... |
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...erstmal gehts aber abwärts, sobald wir Nordlichter die Grenze übertreten. Sollte ja auch eigentlich allen klar sein. |
Weiter ging es in das Minidorf Quilotoa, dass sich dadurch auszeichnet, dass es erstens in einer insgesamt wunderschönen Berglandschaft in den Anden und zweitens direkt an einem Vulkankrater liegt. Dieser ist sehr groß und schon seit 800 Jahren nicht mehr ausgebrochen, der extreme Nervenkitzel auf dem Spaziergang dort oben blieb also aus. In diesen 800 Jahren hat sich allerdings das Regenwasser in dem Krater gesammelt, da es kaum Abflussmöglichkeiten gibt und somit alles, was nicht verdunstet, den Kratersee mit mehr Wasser füllt. Es sind wohl irgendwelche Sulfite, wissenschaftlich präziser habe ich mich damit nicht auseinandergesetzt (Fragen an Beatle, der macht irgendwas mit Chemikalien und ist als frisch verheirateteter junger Mann in bester Laune, Anrufe von Fremden zu dem Thema zu beantworten), die dem Wasser eine traumhaft türkisgrüne Farbe geben, die auf Fotos natürlich nur halb so schön rüberkommt. Ihr müsst mir also glauben, dass Ihr auch nach Betrachtung der Fotos ruhig selbst nochmal hinfahren könnt, um es Euch anzusehen. Die Landschaft um den Krater herum ist mindestens genauso spektakulär wie der Vulkan selbst, mit goldenen Feldern, von Schluchten durchzogen und zwei Schnee bedeckten Vulkanen, an denen die auf dieser Höhe befindliche Wolkenmasse ihr natürliches Hindernis findet. Es war wohl das erste Mal, dass ich außerhalb eines Flugzeuges von oben auf das große Wattewolkenfeld gucken konnte, naja, mehr von der Seite, aber nicht weniger schön. Grandios ist der Weg, den wir gegangen sind. Man ging die während der kompletten Umrundung direkt oben auf dem Ring des Kraters, so dass wir aus allen erdenklichen Winkeln in die Lagune gucken konnten, gleichzeitig aber das sich ständig wandelnde Bergpanorama außerhalb im Blick behielten. Der Weg führte dadurch allerding auhc wirklich über jede Steigung, so dass wir auch nach diesem 5-6-stündigen Trip relativ kaputt waren. Am Abend vorher hatten wir einen Amsterdamer Detektiv kennengelernt, der sich gerade mitten in der Marathonvorbereitung befindet, außerdem einen Schweizer, der ebenfalls ein Liebhaber des Outdoorsports ist. Die beiden hatten den Krater ein wenig vor uns umrundet und waren so nett, mit dem Öffnen des obligatorischen Belohnungsbieres die 20 Minuten zu warten (gut, falls einer von Euch beiden Extremsportlern mitliest, bin ich an dieser Stelle gerne bereit zuzugeben, dass Ihr auch zwischendurch das eine oder andere Mal bereits auf uns gewartet hattet).
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Der Vulkankrater von Quilotoa |
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Wenn Ihr Euch an uns satt gesehen habt, achtet ruhig mal auf die Wolken. |
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Football's coming home |
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Der Kleine köpft so hoch, dass der Ball aus dem Bild geraten ist |
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Jetzt war es dann richtig schweinekalt |
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Das Motiv hatten wir schon, ich weiß, aber in neuem Licht muss es einfach wieder rein |
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Zwei andere Vulkane |
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Pause |
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Nochmal: Wolken! |
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Sieht meiner Meinung nach aus wie ein schlecht nachbearbeitetes und im Nachhinein eingefärbtes Foto aus den Dreißigern, großartige Landschaft |
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Und die Strahlekönigin darf auch nochmal mit ins Bild |
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Die Wolkendecke beißt sich die Zähne an den beiden Vulkanen aus, so entstehen wohl Mikroklimata |
An dem Ort war es übrigens so kalt dass wir uns beide erstmal Schals aus Alpaca-Wolle gekauft haben. Das höchstens mit einem ausreichend zu bewertende Spanisch der indigenen Bevölkerung dort oben gepaart mit der schlichten Qualität des Arguments, diese Schals seien aus echter Alpaca-Wolle, führte dazu, dass dieses während der Preisverhandlungen ca. 40 Mal wiederholt wurde. Irgendwann durchbrachen wir das ewige Hin und Her aus dem Argument (pero es de Alpaca, Senora (für die Kleiderauswahl ist hier die Frau zuständig, ich wurde bei den Verhandlungen daher weitgehend ignoriert, bis ich schließlich derjenige war, der das Portemonnaie aus der Tasche zog)) ihrerseits und einer 5%-igen Preiserhöhung unsererseits und kauften zu unser aller Zufriedenheit.
Von Quilotoa gingen wir davon aus, dass uns ein Bus innerhalb von 5 Stunden direkt an unseren nächsten Bestimmungsort Puerto López bringen könnte, es wurden dann doch 5 Busse in 11 Stunden, aber wir kamen an. In dem kleinen Strandort kann man Wale sehen, und deshalb waren wir auch nur da. Uns wurde versprochen, auf der 2-stündigen Bootstour zu 100% Buckelwale vor die Linse zu kriegen und der genannte Wert überzeugte uns. Wozu man sagen muss, dass wir die Tour mit 35 USD für beide zusammen extrem günstig fanden (Hagenbeck nimmt deutlich mehr, hat allerdings auch mehr Tiere im Angebot, die aber wiederum hinter Gittern stehen, meistens liegen). Die Bootsfahrt war wirklich ein Riesenhighlight. 2 lange Stunden sprangen die riesigen Tiere neben unserem Boot aus dem Wasser, während die noch riesigeren Eltern etwas fauler waren, aber dennoch ständig mit ihrem Rücken aus dem Wasser oder winkend (es sieht so nur aus, ich glaube nicht, dass wirklich jemand winken wollte, auch wenn es genügend Leute auf unserem Boot gab, die zurückgewinkt haben) mit der Unterseite nach oben auf dem Wasser lagen und schwammen. Wirklich niedlich, diese Meeresriesen. Dann sind wir ins nächste Fischrestaurant gegangen.
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Da is was! |
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Augen zusammenkneifen und genau gucken |
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Und endlich springen sie |
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und springen |
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und springen |
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Mutti |
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und Vaddi |
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Nun hatte auch ein anderes Boot Wind bekommen von unserem Freund im Vordergrund |
In Guayaquil waren wir dann in der Kirche, in der Beatle und Teresa geheiratet haben, waren aber knapp 3 Wochen zu spät für die Zeremonie. Bei Teresas Mama konnten wir uns immerhin das Hochzeitsvideo in voller Länge ansehen. Ohne dabei gewesen zu sein, würde ich sagen, Teresa spielte vor heimischer Kulisse abgeklärter, während Beatle nach einiger Zeit seine anfängliche Nervosität, vielleicht auch den Respekt vor der beeindruckenden Kulisse ablegen konnte und beide zusammen ein Spektakel für die Besucher zelebrierten. Ob ich auf meiner eigenen Hochzeit Clowns engagieren möchte, weiß ich zwar noch nicht, aber wir haben hier schon häufig gesehen, dass Clowns eine viel größere Rolle in den Gesellschaften spielen als bei uns, somit war das sicherlich eine witzige neue Erfahrung für die Gäste aus Deutschland.
Nun sind wir im Süden Ecuadors und halten uns ein paar Tage in der schönen Abgelegenheit eines Hostels in den Bergen auf. Hier wollten wir ein wenig arbeiten, diesen Blogeintrag fertig schreiben, und mal wieder kurz Luft holen vor den folgenden Reiseabenteuern. Peru liegt direkt vor unserer Tür und wir werden mit einem langen Rutsch bis in die Hauptstadt Lima durchfahren, wo wir hoffen, noch Glenda besuchen zu können, eine Peruanerin, die Moritz und ich mal in Vietnam kennengelernt hatten. Sehr nettes Mädel, leider arbeitet sie neuerdings etwas weit von Lima entfernt, so gar nicht in unserer Richtung, und wir werden sehen, ob es trotzdem noch klappt. Auf jeden Fall treffen werden wir unsere neuen Schweizer Freunde, mit denen wir die Verschiffung gemacht haben. Fast hätten wir Roger und Miriam tragischerweise verpasst, weil diese vor Geldscheinen nur so um sich werfenden Winterthurer eine Kreuzfahrt auf den Galapagos machen mussten, während wir im ecuadorianischen Hochland an ihnen vorbeifuhren. Diese Vermeidungstaktik ging nicht auf, da wir Nordlichter eines gut können: Abwarten. Und so kommen sie nun nach und bringen Greta noch ein paar weitere Brocken Schwiizerdütsch bei. An dieser Stelle noch ein kleiner Einschub: Vor zwei Stunden habe ich mein erstes Erdbeben live erlebt. Maiken, meine weltgewandte Lebensabschnittsgefährtin, kannte Erdplattenbewegungen natürlich bereits. Es war natürlich überhaupt nicht dramatisch und daher eher ein ziemlich cooles Gefühl, wenn sich unter einem der Berg bewegt. Mehr gibts dazu eigentlich auch nicht zu sagen, aber so ein, man möchte fast sagen weltbewegendes Ereignis muss natürlich geteilt werden. Das Beben war an sich sogar sehr stark mit 7,0 auf der Richterskala, allerdings erstens in 145 KM Tiefe und zweitens viel weiter im Süden in der Nähe der peruanisch-brasilianischen Grenze. Da dies ein Einschub war, schließen die folgenden Sätze an den Satz an, der mit „es trotzdem noch klappt“ endet. Das ist inhaltlich unwichtig, soll mich aber davon freisprechen, holprige Übergänge zu erstellen.
Nebenbei lesen wir ein bisschen im Reiseführer und tauschen uns mit von Süden kommenden Touris hier im Hostel aus über zu machende Touren, gute und günstige Hostels und Sehenswürdigkeiten. Das Backpackerleben hat eben auch sein Gutes und wir genießen nach den ganzen Problemen mit dem Bus und der langen Ungewissheit jetzt wieder jeden Reisetag, und das ist wohl das Beste an unserem neuen Reiseabschnitt.
Seid gegrüßt und geküsst, fühlt Euch umarmt oder Eure Hand geschüttelt, jeder suche sich seinen persönlichen Abschied bitte selbst heraus.
Euer Lars
P.s.: Nebenbei haben wir leider unseren Rückflug gebucht. Zum Glück ist es noch ein bisschen hin und dann, so kurz vor Weihnachten, werden wir uns sicher auch wieder sehr auf die Weihnachtsmärkte, auf Freunde und Familie freuen. Also, nur zu Eurer Info und für die arbeitende Minderheit mit Terminkalender, wir kommen am 17.12. dieses Jahres, also just an meinem Wiegentag, zurück in die Bundesrepublik.
P.p.s.: Ich häng noch ein paar Bilder ran, die eh schon hochgeladen sind, vom Blumenfest in Medellin zB, das größte Volksfest des Jahres dort, zu dem wir zufällig pünktlich ankamen. Das wurde mit der Zeit dadurch interessant, dass die armen Menschen der Dörfer, die den Wettbewerb der schönsten Blumengestecke ausfechte, die samt Gestell stundenlang durch die Straßen tragen müssen. Die Dinger wiegen bis zu 100 Kg und einige der Menschen hatten kaum weniger Jahre auf dem Buckel als kg:
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So, vorbei mit Blumen. Hier haben wir unser Essen mit Kochbananen fotografiert |
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In echt fängt Südamerika ein paar Hundert km weiter oben an, aber nachdem wir mit dem Äquator schon so spießig waren, lassen wir das mal gelten |
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Bei Kenworth arbeitet Rodrigo, unser Helferlein aus Medellin. DIe hatten natürlich auch ihr eigenes Blumengedeck gemacht, zugegeben etwas langweilig |
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Und Maiken wollte für den gleichen Preis erst ein normales Brot nehmen... |
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Maikens neuer Rucksack macht aus Greta ein Beuteltier |
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Beim Strandspaziergang (Kugelfisch?) |
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Gleicher Spaziergang, auch ein Schwertfischschwert war angetrieben worden |
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So eine Palme haben wir genau einmal gesehen |